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Christine Fößmeier

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"HARRY POTTER"

Die Geschichte von Harry Potter ist entweder sehr schnell erzählt - oder man braucht dazu Tausende von Seiten. Da man die Bücher in Ruhe genießen sollte, hier also die Kurzversion: An seinem elften Geburtstag erfährt Harry, dass er ein Zauberer ist. Er wird aus seiner Pflegefamilie, die ihn bislang nur schikaniert hat, nach Hogwarts, der Schule der Zauberer, gebracht. Von seiner Ausbildung dort erzählen die Bücher ebenso wie von seinem Weg vom Kind zum heranwachsenden Meisterzauberer. Allerdings gibt es eine dunkle Seite, eine Bedrohung: Lord Voldemort, der das Böse über die Welt bringen will, und dem sich alle guten Zauberer und Harry, dessen Eltern von Voldemort getötet wurden, entgegenstellen.

Die Geschichte lebt zum einen von der Entwicklung Harrys vom Kind zum heranreifenden Zauberer, zum anderen von der Konfrontation der Hauptfigur mit dem Bösen in Gestalt Voldemorts. Darüberhinaus geht es um Freundschaft und Liebe und um Loyalität. Die Grundkonstellation ist insofern sehr einfach und dadurch auch gut nachvollziehbar. Das Hauptmotiv wird in allen Büchern aufgenommen und variiert: Beziehungen ändern sich, Loyalität wird in Frage gestellt oder bestätigt. Um die Leser bei der Stange oder vielmehr am Buch zu halten, wandelt sich die Atmosphäre der Bücher mit ihrem Erscheinen hin zum immer Düstereren und Bedrohlicheren. Zudem ist Harry Potter als Hauptfigur keineswegs ein rundum reiner Held. Er hat Schwächen. Sein Leiden am ihm auferlegten Schicksal löst sich am Ende des jeweiligen Buches kaum auf, obwohl die Hoffnung gleichwohl nicht stirbt. So entlässt J.K. Rowling ihre Leser zwar immer mit einem kathartischen Erlebnis, wenn von Mal zu Mal Voldemort nicht siegen kann, doch ebenso mit einem Gefühl unaufgelöster Spannung. Diese Ungewissheit, das Harry Potter auch am Ende des letzten geplanten Buches noch triumphieren kann, lässt wohl die Leser auf der ganzen Welt immer wieder auf das Erscheinen des neuesten Werkes herbeisehnen.

Harry und Professor Dumbledore
("Harry Potter und die Kammer des Schreckens", 2002)

"Harry Potter" orientiert sich am Mythos und variiert die uralte Geschichte vom Kampf des Guten gegen das Böse. Zugleich wird dieser Mythos mit dem der Reise des Helden verwoben. Diese Reise ist nicht geographisch zu verstehen. Es geht vielmehr um die Entwicklung einer Person zu einer vollwertigen Persönlichkeit. Solche Geschichten dürften vor allem auf Kinder und Jugendliche, die sich selbst in einer Entwicklung befinden, ihren Reiz ausüben. Mythen betreffen jedoch alle Menschen. Ihre Erzählstrukturen reichen Jahrtausende zurück, und sie wurden über Jahrtausende tradiert. Daher sprechen sie auch noch heute uns alle an. "Harry Potter" ist insofern nur der Mythos in moderner Gestalt.