Ägyptologie

 

"Her initial impression of him was even stronger now: good-looking, but so out of place the air was practically shattering around the table. She couldn't figure his place, though. Archaeologist? That didn't wash. He had an interesting scar across his chin; she wondered how he'd got it. She was a connoisseur of interesting scars. And he sure had nice eyes, although she couldn't quite figure out the color. Sort of green-hazel-gray-sky-with gold flecks. Clear and hard and finally unreadable. Too bad, really. Any way you sliced it, he looked like seven miles of bad road.

She let her stare drift from his interesting scar to his unhazel eyes. 'I thought archaeologists were funny little men always looking for their mommies,' she teased.

'Mummies,' he corrected."

(James Kahn, Indiana Jones and the Temple of Doom, New York 1984, S. 7f)

Der Archäologe Henry Jones Jr.
alias Indiana Jones

 

Ägyptologie, die Lehre vom Alten Ägypten

Die Ägyptologie, wie sie an deutschen Universitäten gelehrt wird, beschäftigt sich mit der Geschichte, der Sprache (eigentlich: der Schrift), der Kunst und Kultur des Alten Ägyptens. Das bedeutet, sie umfaßt - streng genommen - die Anfänge der Besiedelung des Niltales bis zu der Kultur der Kopten, den Beginn der Schriftentwicklung, das Alt-, Mittel- und Neuägyptische, Hieratische, Demotische und Koptische, sowie ca. 5000 Jahre der Kunstentwicklung, sofern man Pfeilspitzen nicht als künstlerischen Ausdruck betrachtet... Ägyptologen sollten nur wenige Zentimeter große Figürchen ebenso verstehen wie monumentale Tempelanlagen, wobei kultische Zusammenhänge in beiden Fällen gegeben sein mögen, doch keineswegs gleich sein müssen. Deshalb spezialisieren sich Ägyptologen meist auf Teilbereiche, denn ein solch riesiges Gebiet (das sich, wörtlich genommen, geographisch weit über die Grenzen des heutigen Ägyptens erstreckt!) kann kein einzelner Mensch überblicken. So gibt es unter den Ägyptologen Sprachgenies und Kunstsachverständige - aber keinen einzigen Indiana Jones, der fließend die Sprachen der Alten und Neuen Welt spricht und neben den Kultanlagen von Tanis mittelamerikanische Artefakte ebenso gut einzuordnen vermag wie solche der Manchu-Dynastie.

 

Ägyptologen und die Mär vom Großen Abenteuer

Gold zu finden, kann ziemlich langweilig sein. Kleine, nur wenige Quadratzentimeter messende Elfenbeintäfelchen mögen jedoch der Stoff sein, aus dem Ägyptologen-Träume gemacht sind... Solche Objekte förderten die Ausgrabungen in einem der bedeutenden altägyptischen Friedhöfe Ägyptens zutage. In Umm el-Qaab bei Abydos ließen sich frühe Herrscher bestatten, darunter die Könige der 1. Dynastie wie Horus Aha, Djer oder Dewen. Bereits 150 Jahre vor den "Reichseinigern" wurde das Grab eines weiteres bedeutenden Herrschers angelegt, nämlich Skorpion I. Wie bei allen anderen Grabanlagen war es auch hier zu Plünderungen gekommen. Dennoch war noch erstaunlich viel vorhanden, als Prof. Dr. Günter Dreyer und das Deutsche Archäologische Institut Kairo dort weitere Untersuchungen durchführten. Zu den Fundstücken zählen die bereits erwähnten Elfenbeintäfelchen, die ursprünglich an Grabbeigaben angehängt worden waren. Einige Hieroglyphen darauf geben u.a. die Herkunft der Gaben an. Ein Storch neben einem Stuhl liest sich beispielsweise "bast", was die Stadt Bast bzw. Basta meint. Diese "Etiketten" gehören zu den frühesten Belegen für die Entwicklung von Schrift. Durch sie tritt der Mensch in eine neue Ära, in der er lernt, seine Umwelt auf andere Art zu erfassen und zu "be-schreiben".

Um solche Bezüge geht es in den Altertumswissenschaften. Das große Abenteuer der Ägyptologie besteht nicht darin, ein ungeplündertes Grab voller kostbarer Beigaben zu finden. Dafür stehen die Chancen eher schlecht. Eine solche Anlage würde zudem nur einen winzigen Ausschnitt aller kultureller Leistungen des ägyptischen Volkes darstellen. Eine Entdeckung wirft konservatorische Probleme ebenso auf wie solche der Ethik, denn jeder Bestattete verdient den Respekt auch unserer Zeit.

Kein Ägyptologe wird ein Grab wegen eines erhofften Objektes aus Gold öffnen. Für ihn zählt ein Blumenkranz, der nach Jahrtausenden von der altägyptischen Pflanzenwelt berichtet, genauso viel wie ein vertrockneter Laib Brot, ein bemaltes Holzkästchen genauso viel wie eine Mumie in ihren Särgen und in einem mit Reliefs versehenen Sarkophag. Und: Kein Ägyptologe wird einen solchen Fund allein machen und allein untersuchen. Er würde gar nicht alle Besonderheiten seiner Entdeckung erkennen und verstehen. Erst ein Botaniker würde ihm erklären, daß die Bestattung aufgrund der Blumengaben in einem bestimmten Monat stattfand, während Geologen ihn darauf hinweisen, aus welcher Gegend der Stein für den Sarkophag herbeigeschafft werden mußte. So verlangt fast jeder bedeutende Fund in Ägypten nach einer Vielzahl von Experten. Diese wiederum sollten nicht vergessen, daß es nicht nur ihre Aufgabe ist, Kenntnisse über eine frühe Hochkultur zu erlangen. Vielmehr muß dieses Wissen verbreitet werden, damit jeder Nicht-Archäologe versteht, daß es eine wichtige Aufgabe ist, die Vergangenheit zu bewahren und nicht zu zerstören. In Ihrer Erforschung besteht schließlich das wahre Abenteuer der Archäologie.

 

Archäologen und das wahre Abenteuer

In den "Indiana Jones"-Filmen trifft der Held stets auf schöne Frauen, die ihm meist ebenso zufallen wie Erkenntnisse über die Vergangenheit. Sind Archäologen, die in exotische Landstriche dieser Erde reisen dürfen, damit für Abenteuer aller Art prädestiniert? Sind Archäologen gar die besseren Liebhaber?

Die Ägyptologen, die ich kenne, sind keine Abenteurer im üblichen Sinne. Sie freuen sich über den ihnen gelungenen Aufbau einer Ausstellung, eine überzeugende Deutung eines Schriftstückes oder eines Kunstgegenstandes oder - ja, tatsächlich, auch das gibt es: über den Fund eines altägyptischen "Bumerangs" ("very cool"...). Allen gemein ist, daß ihre Freizeitgestaltung wenig Beachtung findet, denn freie Zeit haben sie eigentlich kaum. Archäologie ist eine Vollzeitbeschäftigung und das nicht nur aus finanziellen Gründen (Frage: Wer hat je von einem reichen Archäologen gehört?!). Diese Tätigkeit wird vielmehr leicht zur Besessenheit, zumal keiner diesen Beruf wegen der Verdienstmöglichkeiten wählt. Archäologie ist Berufung!

Archäologen sind keine modernen Raubritter. Sie öffnen Gräber nicht, um ihnen wertvolle Dinge zu entreißen. Vielmehr versuchen sie, das zu bewahren, was sich über Jahrtausende hinweg erhalten konnte und schon deshalb verdient, vor weiterem Verfall oder der Plünderung durch Grabräuber, die es heute wie vor 4000 Jahren gibt, bewahrt zu werden. Auch lassen sich noch aus unscheinbaren Dingen Erkenntnisse über die Vergangenheit ableiten. Daher wird heute nicht mit Sprengstoff und anderen zerstörerischen Mitteln gearbeitet und manchmal sogar auf eine Ausgrabung gänzlich verzichtet. Neueste Technik erlaubt es, Strukturen im Boden zu erkennen und daraus ganze Stadtbilder zu rekonstruieren, eine der Bemühungen von Dr. Edgar Pusch in der Ramses-Stadt Piramesse (Qantir). So bemüht man sich um den Erhalt archäologischer Ensembles für künftige Generationen von Forschern, denen bessere Methoden der Bewahrung von Altertümern zur Verfügung stehen werden.

 

Lehre für das Leben?

Es ist schwer, die Erfahrungen eines Archäologen anderen begreiflich zu machen, besonders wenn diese sich nicht an einen spektakulären Fund wie den des Tutanchamun-Grabes knüpfen. Selbst mit meinen Kenntnissen in der Ägyptologie fällt es mir schwer, mich in die altägyptische Vergangenheit zurückzuversetzen und aus ihr für mein eigenes Leben zu lernen. Nur manchmal tauchen aus einer anderen Zeit Gestalten auf, die mir vertraut werden. Wenn ich Glück habe, verstehe ich, was einige Menschen vor 5000 Jahren erlebt haben. Dieser seltene Moment des Brückenschlags über die Jahrtausende hinweg ist vielleicht die bedeutendste Erfahrung, die man bei der Beschäftigung mit Archäologie machen kann.

 

© Christine Fößmeier