Ewige Kleopatra

 

Kleopatra... Nicht nur historische Persönlichkeit sondern Projektionsfläche unzähliger Imaginationen - auch und gerade im Film. Oder wie der englische Autor Swinburne andeutet, Traum und Alptraum der Männerwelt.

 

Her mouth is fragrant as a vine,
A vine with birds in all its boughs,
Serpent and scarab for a sign
Between the beauty of her brows
And the amorous deep lids divine...

- Algernon Charles Swinburne, Cleopatra -

 

'Cleopatra'-Plakat, 1917
'Cleopatra'-Plakat, 1934
   
Plakat für Cleopatra von 1917, in der Titelrolle Theda Bara
Plakat zur Cleopatra-Version von 1934 mit Claudette Colbert

Schon diese beiden Plakate machen einen Grundsatz des Kleopatra-Filmes deutlich: Es geht nie darum, wie die historische Kleopatra wirklich ausgesehen hat. Vielmehr richtet sich das Aussehen der Film-Kleopatra nach einem gerade aktuellen Frauentypus. Durch ihn wird die Schönheit der Figur bestimmt, aber ebenso ihre Handlungen.

 

Die frühe Charakterisierung Kleopatras im Film als Vamp geht auf die Literatur des Fin de siècle zurück. Dem späteren 19. Jahrhundert galt die Herrscherin als Femme fatale. Doch es war Alexander Puschkin, der Kleopatra bereits 1825 als einer der ersten Autoren der Neuzeit als lüstern und grausam schildert. Das Gedicht Kleopatra und ihre Liebhaber ist eine "Improvisation" innerhalb seiner Erzählung Ägyptische Nächte.

 

Alexander Puschkin, Kleopatra und ihre Liebhaber

Das Haus erglänzt. Im Chore dröhnte
zur Flöt' und Zymbel der Gesang,
mit Stimme und mit Blick verschönte
die Königin des Festes Gang.
Zum Thron schlägt jedes Herz im Saale;
- da beugt sie dämmernd, sprachberaubt,
in Sinnen auf die goldene Schale
hinab das wundervolle Haupt.
Und Brüten schwelt überm Gelage,
der Chor will schweigen, keines spricht:
- doch wieder hebt sie, gleich dem Tage,
zum Wort das klare Angesicht:
"Ihr fleht um jede meiner Nächte,
kein Preis sei euch zu hoch, zu schwer;
so hört: ich stell' die gleichen Rechte
unter euch Männern wieder her.
Die Liebe will ich euch verkaufen...
Wer ist so reich, wer hat die Macht,
wer zahlt aus eurem ganzen Haufen
mit seinem Tod für eine Nacht?"

Sie schweigt - und Schauer faßte jeden,
die Herzen zittern im Verzicht -
und sie vernimmt die Flüsterreden
mit stolzer Kälte im Gesicht,
und streift das mutlose Gedränge
der Anbeter mit einem Blick...
Doch schon tritt einer aus der Menge,
zwei andre bleiben nicht zurück:
Sie kommen kühn, sind keine Knechte -
die Königin erhebt sich stumm.
Und also sind gekauft drei Nächte,
und also sterben sie darum.

Und zu Gesang aus Priestermunde
entnimmt man aus der Urne Schoß
vor der bewegungslosen Runde
die Reihenfolge nach dem Los.
Und Flavius steht als erster schon -
ergraut in römischer Legion,
ertrug er nicht an einer Frau
das triumphierende Verachten.
Fest wollte er den Tod betrachten,
der Ruf der Lust klang ihm genau
wie einst der Ruf der großen Schlachten.
Und ihm folgt Kriton, den im Hain
die Musen schwesterlich berieten,
sein junges Denken diente rein
der Göttin Cypris, den Chariten.
So kaum erblüht und heiß und groß,
nahm er das ganze Herz gefangen.
Der letzte wandelt namenlos
durch die Jahrtausende. Die Wangen
beschattete ein erster Flaum,
das Auge strahlte durch den Raum,
in seinem jungen Herzen kochte
die ungeübte Leidenschaft -
und ihren Blick nahm er in Haft,
so daß sie ihn nicht lassen wollte.

"Ich schwör, o Mutter aller Wonnen,
ich will dir dienen unerhört,
aufs Purpurlager, lustgesponnen
steig' ich als Sklavin, ganz entehrt!
Du, starke Cypris, wirst nicht schelten,
und ihr, ihr Könige vom Tod,
ihr Götter dunkler Unterwelten!
Ich schwör' euch - bis zum Morgenrot
komm' ich der Gier meiner Bezwinger
mit grenzenloser Wollust nach,
jedes Geheimnis der Umschlinger
und jedes Süße ruf' ich wach!
Doch kaum entflieht in rosiger Eile
Aurora morgendlich dem Grab,
so schwör' ich - fällt unter dem Beile
das Haupt des Glücklichen herab!"

Und nun versank der Tag im Westen;
es steht der goldgehörnte Mond,
und schmachtend tiefer Schatten wohnt
in Alexandriens Palästen.
Die Wasser plätschern, Flammen leuchten,
der Weihrauch steigt empor in Ruh,
und Kühlung schwebt aus allen Feuchten
den Göttern dieser Erde zu;
es schimmert das Gemach, das holde,
wo jeder Duft Verführung schien,
unter dem Purpurbaldachin erglänzt die Lagerstatt im Golde...

- Übersetzung von Sigismund von Radecki -

 

© Christine Fößmeier